top of page

Kühl, aber herzlich

Schwimmen knapp vor dem Gefrierpunkt – auch im deutschsprachigen Raum immer beliebter!


Josef Köberl, Philipp Tiefenbrunn, Eva Her, Azur Rad, Ar Gonzalez und Debbie Wayman am Hintertuxer Gletscher. (Copyright IISA-Austria)

Erfahrungen mit Wassertemperaturen um die 5 °C haben wohl schon die meisten einmal gemacht – zum Beispiel in der Sauna: zügig ins Tauchbecken steigen, einige Sekunden bibbern, dann schnell wieder hinaus. Allerdings: mit dem ganzen Körper inklusive Kopf und Hände einzutauchen und dann auch noch mit Wettkampfambitionen richtig „ziehen“ zu können – das ist in dieser Situation schwer vorstellbar. Und wie die Autorin selber feststellen durfte – es ist schon bei etwas höheren Temperaturen knapp unter 10 °C und in Kombination mit einem Neoprenanzug gar nicht so einfach. Kurz nach dem Start ging erst mal gar nichts mehr: die Lunge schien sich der Atmung zunächst komplett zu verweigern, die Kälte stach im Gesicht und auf der Kopfhaut und die Arme waren zunächst partout nicht zum Kraulzug zu überreden. Erst, nachdem ca. 100m mit einer Mischung aus Hundekraul und Brustschwimmen absolviert worden waren, fand der Körper langsam in seinen Rhythmus. Eine Rettung durch die DLRG – wie in den ersten Minuten befürchtet – war Gott sei Dank nicht nötig. Aber das Ganze ohne Neopren und bei noch mal 5 °C weniger, das bedarf der Vorbereitung – und der Passion.


Vom Eisschwimmen spricht man bei Wassertemperaturen unter 5 °C. Anders als beim Eisbaden gilt es, permanent in Bewegung zu bleiben und eine Strecke in möglichst kurzer Zeit zurück zulegen. Als Sport ist dies vor allem in Skandinavien verbreitet und gewinnt mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum mehr und mehr an Beliebtheit.


Den Kälteschock in den Griff kriegen


Die Kälte löst im Körper zunächst eine Krise – einen Schockzustand – aus. Als Reaktion auf die niedrige Umgebungstemperatur ziehen sich die Blutgefäße unmittelbar unter der Haut zusammen und die tiefer liegenden Blutgefäße weiten sich und transportieren damit verstärkt Blut. So versucht der Organismus zu gewährleisten, dass seine Kerntemperatur erhalten bleibt. Dann können die inneren Organe wie gewohnt weiter arbeiten und Arme und Beine weiter bewegt werden. Es ist jedoch gut möglich, dass die die Muskeln dennoch nicht gehorchen wollen, da sie durch die Kälte verkrampfen. Der Kälteschock hat außerdem zur Folge, dass der Schwimmer krampfhaft nach Luft schnappt, was bei Ungeübten schnell ein Gefühl der Panik und des Erstickens verursachen kann. Hinzu kommen häufig starke Schmerzreize: Vor allem im Gesicht und auf der Kopfhaut wird die Kälte als quälend wahrgenommen. Es kostet Ungeübte viel Überwindung, den Kopf einzutauchen. Über diesen und über die Hände und Füße geht sehr viel Körperwärme verloren. Im Trainng kann das Tragen von Handschuhen und Füßlingen sinnvoll sein.


Copyright by IISA-Austria

Vor allem Kopfsache!


Ein weiterer wichtiger Faktor: Der Aufbau einer Toleranz für das kalte Wasser hat auch sehr viel mit dem mentalen Befinden zu tun. Der Schwimmer muss mit der Situation umgehen lernen, d.h. eventuell aufkommende Panikgefühle und schmerzhafte Augenblicke ertragen, auf den eigenen Körper vertrauen und Ruhe bewahren, bis das Körpergefühl wieder einigermaßen stimmt. Wer sich diesem „Kampf gegen sich selbst“ stellt, wir am Ende mit großer Wahrscheinlichkeit belohnt. Denn durch die anfängliche Ausschüttung von Stresshormonen stellt sich nach dem Schwimmen ein wohliges und glückliches Gefühl ein. Dieses Phänomen auch aus anderen Bereichen des Extremsports, z.B. Fallschirmspringen, bestens bekannt. Dass man auch im Training niemals alleine ins kalte Freiwasser steigt, dürfte ohnehin klar sein.


Copyright by IISA-Austria

Klirrend kalte Herausforderungen – Wettkämpfe im Eisschwimmen


Was unterscheidet einen Eisschwimm-Wettkampf nun von einem „normalen“ Schwimmwettkampf? Eigentlich weniger als man meinen sollte. Auch diese Sparte hat Ihre eigene Organisation, die International Ice Swimming Association (IISA), welche offizielle Wettkampfregeln definiert. So darf z.B. außer regulärer Badekleidung kein spezieller Dress getragen werden, schon gar nicht der unter Triathleten und Langstreckenschwimmern beliebte Neopren. Badekappe und Brille sind ebenfalls gestattet. Allerdings dürfen keine zwei Kappen übereinander getragen werden. Trotz der strengen Regeln wird sehr auf die Sicherheit geachtet. Beim Ice Swimming Aqua Sphere German Open, das im Januar im mittelfränkischen Veitsbronn stattfindet, ist für Teilnehmer die Vorlage eines aktuellen EKGs Pflicht. Denn mit Herz- und Kreislauferkrankungen an den Start zu gehen, ist ein zu hohes Risiko. Ärztliche Präsenz beim Wettkampf gehört zum Standard. Und wer klug ist, vertraut zusätzlich auf seinen „Biopren“. Das bedeutet nichts anderes, als bewusst einige Kilos zuzulegen. Daraus ergibt sich für Muskeln und Organe zusätzliche Dämmung und damit ein natürlicher Kälteschutz.


Bei längeren Strecken, wie der „Eismeile“, sind die Vorgaben strenger. Meist sind Bojen, Restubes oder Rettungsgürtel (für den schnellen „Zugriff“ im Ernstfall) Pflicht. Der Start erfolgt meist ohne Startsprung direkt aus dem Wasser, so dass ein langsames Eintreten ermöglicht wird. Zudem ist eine Tauchphase länger als 5m nach dem Start nicht erlaubt. Die Auswahl an möglichen Wettkampfstrecken ist groß: ab 25m bis hin zu mehreren hundert oder sogar 1000m und mehr ist alles dabei. Auch unterschiedliche Lagen stehen zur Wahl. Die Einstiegshürden sind also nicht unüberwindlich hoch. Ein gewisses Maß an Vorbereitung, Gesundheit und Leidensfähigkeit sollte aber jeder Teilnehmer mitbringen. Und natürlich brennende Leidenschaft für diesen eiskalten Sport.


Copyright Josef Köberl & IISA-Austria

Alle Eis-Veranstaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz findet ihr unter Open Water Events!

 

Artikel: Sarah Schiepe

Bilder: Copyright by IISA - Austria & Josef Köberl

 

Quellen:

bottom of page